Ein Winterabend in idyllischer Vorstadtlage. Ein festlich gedeckter Tisch. Stimmungsvolles, einladendes Licht. Erst auf den zweiten Blick offenbart das Bild seinen doppelten Boden: Ein Stuhl der Festtafel steht außerhalb des Wohnhauses auf der tief verschneiten Terrasse. Geschlossene Gesellschaft nennt Frank Kunert sprachgewitzt diese Arbeit, die er als Edition für uns ausgewählt hat: Buchstabengetreu setzt er den geläufigen Begriff bildlich um, stellt vertraute Vorstellungen - wie in einem Nonsens-Gedicht von Robert Gernhardt - auf den Kopf, gibt ihnen eine dreidimensionale Gestalt und macht sie dabei im wahrsten Sinne begreifbar. Aus Verpackungsmaterial, Leichtschaumplatten, Knetmasse und Farbe baut Kunert in wochen-, manchmal monatelanger Handarbeit die Modellkulissen seiner »Kleinen Welten« und fotografiert sie schließlich im Studio. Mit Lust an feiner Ironie und klugem Hintersinn, bisweilen mit einem Anflug von Groteske und schwarzem Humor, bisweilen mit einem Hauch von Melancholie inszeniert Kunert seine herzerwärmend fantasievollen Miniaturwelten, die unseren Blick für die Absurditäten des Alltags schärfen - und für das »Menschliche hinter dem Absurden«, so ein Bericht in der Sendung Kulturzeit, »wenn wir in aussichtslosen Situationen so tun, als sei nichts, denn das Leben muss weitergehen.« Auch wenn wir beim abendlichen Festschmaus draußen sitzen müssen. Frank Kunert (*1963 in Frankfurt / Main) absolvierte von 1984 bis 1987 eine Ausbildung zum Fotografen. Nach Assistenzjahren in verschiedenen Fotostudios machte er sich 1992 selbstständig. Für seinen Bildband Verkehrte Welt, erschienen im Hatje Cantz Verlag, wurde er 2009 mit dem Deutschen Fotobuchpreis in Silber ausgezeichnet. Frank Kunert lebt in Boppard.